Mit dem «General Briefing» beginnt im Cockpit vor einem Flug unsere enge Team-Zusammenarbeit. Dabei habe ich als Captain die Möglichkeit, meine Schwerpunkte anzusprechen. Mir persönlich ist dabei die Offenheit – das «Speak-up»- sehr wichtig. Deshalb leite ich es in der Regel mit folgenden Worten ein:
«Sag mir, was ich nicht hören will! Aber sag es mir bitte in einer Art, dass ich es aufnehmen kann. Und wenn es dir wichtig ist, so lange bis ich dich gehört und es aufgenommen habe.»
In diese kurzen Worte verpacke ich meine Erkenntnisse langjähriger Erfahrung als Führungskraft:
- Speak-up kann schmerzen: Zuhören, wenn ich ein positives Feedback erhalte, ist einfach – beispielsweise beim Debriefing nach einem gelungenen gemeinsamen Flug. Habe ich jedoch weniger gut geführt, Fehler gemacht, oder hat das Team nicht so richtig harmoniert hat, fällt auch mir das Zuhören schwierig. Denn nun muss ich mich der (berechtigten) Kritik offen stellen. Ich habe es ja selbst eingefordert. Das ist, auch für mich, nicht immer einfach. Muss aber sein – denn nur so kann ich lernen und mich in meiner Arbeit weiterentwickeln.
- Wahrnehmungsveränderung unter Stress: Gibt’s auch im Cockpit Stress? Bestimmt – nicht nur bei Ihnen im Geschäftsleben. Unter Stress fokussieren wir so stark, dass am Ende nur noch ein «Tunnelblick» übrig bleibt. Das Zuhören wird dann noch anspruchsvoller als sonst! Das müssen auch wir Piloten beachten. Wir wissen, dass unter Stress der Hörkanal als einer der ersten Wahrnehmungskanäle einbricht. Im Cockpit kann das heissen, dass wir Warntöne nicht mehr hören. Und im Geschäftsleben? Was wird in einer hitzigen Geschäftsleitungssitzung noch «gehört»? Die Wahrnehmung – das, was wir als «Wirklichkeit» empfinden – ist hochgradig selektiv und subjektiv und enorm Stressabhängig. Beobachten Sie bei sich selbst: steigt ihr Puls über 100, beginnt das Stressniveau, wo Sie Informationen nicht mehr umfassend aufnehmen. Übrigens – auch bei Beziehungskonflikten…
- Stressprävention im Unternehmen: Kleine Probleme fordern kleine Lösungen. Grosse Probleme fordern… Deshalb fördere ich das Speak-up konsequent. Das beste Stressmanagement ist Stressprävention. Die tägliche Arbeitsbelastung kann kurzfristig sehr stark ansteigen. Ist das Team mit inneren Konflikten beschäftigt, kann die Mehrbelastung nicht konstruktiv aufgefangen werden. Resignation bei Teammitgliedern kann tödlich sein – für uns Piloten wörtlich, für Sie als Unternehmer im Sinne einer Insolvenz im übertragenen Sinn ebenso.
Vermeiden Sie deshalb Sprachlosigkeit, Abschottung und Resignation. Achten Sie darauf, das Gespräch mit Ihrer Mannschaft zu fördern – und fordern Sie es ein. So schaffen Sie ein tragendes, aktives Team, in welchem sich jeder wahrgenommen fühlt. Das ist die Art, in welcher eine lernfördernde Umgebung wachsen kann.
Hören Sie zu, auch wenn Ihnen nicht gefällt, was Sie hören!
Damit steigt Ihre Übersicht ebenso wie die Agilität, auf neue Probleme zeitnah und angemessen reagieren zu können. Dumm nur, dass dies eine echte Herausforderung sein kann, da wir meist lieber reden als zuhören.
Zuhören ist ein echter Karrieretipp
Falls Sie von anderen Personen öfters hören «lassen Sie mich doch bitte ausreden», oder «ich glaube Sie haben mich falsch verstanden», dann trainieren Sie das aktive, geduldige Zuhören. Denn wer aufmerksam zuhört, bekommt die Kompetenz von anderen mit. Und kann sie als Ressourcen gewinnbringend zur konstruktiven Problemlösung einsetzen.
Im umgekehrten Fall ziehen sich Mitarbeitende zurück und der Chef wird noch bestärkt im Denken, der Einzige zu sein, der das Problem lösen kann. Und wird – ja, tatsächlich einsam.
Mir persönlich ist das zu streng, zu stressig, alles alleine machen zu müssen. Deshalb höre ich zu – ich habe ja schliesslich zwei Ohren aber nur einen Mund.
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